Portraits

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Familienfotos, Gruppenaufnahmen – das ist etwas wunderbares. Und so gut wie jeder alte Meister, genau so reich, und mindestens so gut komponiert (was heißt das schon).

Briefe an zwei Künstlerfreunde. Aus Düsseldorf am 22. September 1964 an Helmut und Erika Heinze, 1964 QUELLE

Hat der Begriff des Portraits bei der Entstehung Ihrer Portraits eine bedeutende Rolle gespielt? Haben Sie sich dabei mit dem traditionellen Portraitbegriff auseinandergesetzt, oder sind derartige Überlegungen bei den Motiven zweitrangig?
Mit solchen Begriffen kenne ich mich leider nicht aus. Da dürfen Sie mich nicht fragen. Aber natürlich spielen Portraits eine große Rolle. Ich wünsche mir immer, gute Portraits zu malen, aber das geht heute nicht mehr. Es kommt mir vielmehr darauf an, schöne Bilder zu malen.

Interview mit Susanne Ehrenfried 1995, 1995 QUELLE

Haben Sie jemals Auftragsportraits gemalt?
Ja, in den sechziger Jahren. Zum Beispiel die Portraits von Wachenfeld [WVZ: 104-3], Dwinger [WVZ: 103], Wasmuth [WVZ: 104-2], Schniewind [WVZ: 42, 42/1-2] und Schmela [WVZ: 37/1-3] sind als Auftragsarbeiten entstanden. Irgendwie war diese Form typisch für die Zeit der sechziger Jahre. Und das kam mir sehr gelegen, da ich dadurch meinen persönlichen Kunstgeschmack umgehen konnte und die Bilder eher durch Zufall entstanden sind. Allmählich habe ich dann allerdings die Lust daran verloren. Heute kommt keiner mehr mit einem solchen Wunsch auf mich zu, weil jeder weiß: Richter malt keine Auftragsportraits mehr.

Interview mit Susanne Ehrenfried 1995, 1995 QUELLE

Wie siehst Du Deine Frauenbilder, die Du gemalt hast?
Tja, das fällt mir jetzt wieder auf, in der New Yorker Ausstellung, als ich die ganzen Frauenbilder zusammen gesehen habe, und mich wunderte über so widersprüchliche Bilder. Da gibt es eine Erhöhung der Frau, das fängt an mit dem Ema-Akt [WVZ: 134], der ja da wirklich wie ein Engel die Treppe herunter kommt, vom Himmel herabsteigt. Dann das Bild der Tochter [WVZ: 663-5], das auch mit Erhöhung zu tun hat, denn es ist so getragen von der Sehnsucht nach der Kultur, der Schönheit der Malerei, die wir aber nicht mehr haben, deswegen die Abwendung. Dann die Lesende [WVZ: 804], wieder eine Überhöhung, weil sie so den Vermeer, den Malergott ehrt und so eine ähnliche Schönheit versucht. Das sind so idealisierte Wunschbilder, wer weiß. Und dann gibt es die andere Seite, das sind eher die Opfer. Die schwarzweiß gemalten Frauenbilder haben ja mehr mit den alltäglichen Schicksalen zu tun, die nur dann in die Zeitung kommen, wenn ihnen etwas zustößt, wenn sie Opfer sind, wie die acht Lernschwestern [WVZ: 130] und andere. Die Isa-Bilder [WVZ: 790-4, 790-5] sind nach eigenen Fotos gemalt. Und meine Mutter direkt habe ich nie gemalt, es gibt nur ein Familienbild [WVZ: 30], wo sie mit drauf ist.

Interview mit Babette Richter 2002, 2002 QUELLE

Aber man kann doch hier von einem Vaterproblem sprechen, die Bilder zeigen den Verlust einer Vaterfigur: das Foto des verlorenen, kleinen und strahlenden Onkels als Offizier [WVZ: 85], der seltsame Schnappschuss des Vaters, der fast clownesk wirkt [WVZ: 94], und die unnahbaren Lexikonportraits verschiedener Männerideale [WVZ: 324]. Sie beschreiben doch das Bild des abwesenden Vaters.
Ja, unbedingt, und das kann ich umso leichter sagen, weil es ja eine ganze Generation betrifft, die Nachkriegsgeneration oder gar zwei Generationen, die aus allen möglichen Gründen ihre Väter verloren hatten, – zum Teil tatsächlich, das sind die so genannten Gefallenen, die anderen, die Gebrochenen, Gedemütigten, die physisch und psychisch verletzt zurückkamen, und dann die Väter, die ins Verbrecherische verwickelt waren. Das sind drei Sorten von Vätern, die man nicht haben will. Jedes Kind wünscht sich einen Vater, auf den es stolz sein kann.

Interview mit Babette Richter 2002, 2002 QUELLE

Es fällt auf, dass Sie immer wieder Familienmitglieder malten und malen. Dient das alles der Problembewältigung?
Vielleicht nur ein Prozent meiner Bilder zeigt Angehörige von mir, und ob dabei Probleme bewältigt werden? Wahrscheinlich können diese Probleme nur gezeigt werden. Aber es gibt immer wieder Fotos, private und andere, die mich so faszinieren, dass ich sie malen möchte. Und oft merkte ich erst später, welche Bedeutung diese Bilder für mich haben.

SPIEGEL-Interview mit Susanne Beyer und Ulrike Knöfel 2005, 2005 QUELLE

Heute weiß man, dass es sich bei den Menschen auf Ihren Portraits oft um Familienmitglieder handelt und welche Geschichten sich da verbergen – das Bild Ihrer Tante Marianne etwa [WVZ: 87], die im Februar 1945 umkam, oder Ihr Onkel Rudi in Wehrmachtsuniform [WVZ: 85]. Warum sind autobiografische Bezüge in Ihrem Werk so lange ignoriert worden?
Ich hatte gar kein Interesse daran, dass darüber gesprochen wird. Ich wollte doch, dass man die Bilder sieht und nicht den Maler und seine Verwandten, da wäre ich doch irgendwie abgestempelt, vorschnell erklärt gewesen. Tatsächlich hat mich das Faktische – Namen oder Daten – auch gar nicht so interessiert. Das alles ist wie eine andere Sprache, die die Sprache des Bildes eher stört oder sogar verhindert. Man kann das mit den Träumen vergleichen: Sie haben eine ganz spezifische, eigenwillige Bildsprache, auf die man sich einlassen oder die man vorschnell und falsch übersetzen kann. Natürlich kann man Träume auch ignorieren, nur wäre das schade, sie sind ja nützlich.

SPIEGEL-Interview mit Susanne Beyer und Ulrike Knöfel 2005, 2005 QUELLE

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