Photo Paintings

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Diesmal ist der ganze Boden mit zerschnittenen Illustrierten bedeckt, neue Macke (8 Tage) von mir: Bilder aus Zeitschriften, die Druckfarbe mit Lösemittel aufweichen u. zweckentsprechend verwischen. Macht unheimlich Freude. Illustrierte haben mir es ja schon immer angetan, sicher der dokumentarischen Aktualität wegen. Hab auch schon ein paar Versuche gemacht, so was in groß zu malen. Mal sehen wie es weiter geht. Treibe da was, das in etwa einer neuen Richtung ähnelt: Pop-Art (von populär), kam wohl in Amerika auf u. erhitzt die Gemüter.

Briefe an zwei Künstlerfreunde. Aus Düsseldorf am 10. März 1963 an Helmut und Erika Heinze, 1963 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich male vorwiegend Fotos ab (aus Zeitschriften oder auch private), das ist in einer Linie ein stilistisches Problem, die Form ist naturalistisch, obwohl das Foto nicht Natur ist, sondern Vorfabrikat (,second-hand-world' in der wir leben), ich muß nicht künstlich stilisieren, denn die Stilisierung (Deformierung in Form u. Farbe) trägt nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen dazu bei, einen Gegenstand u. Inhalt zu verdeutlichen (Gewöhnlich wird die Stilisierung zum Hauptproblem, das alles andere (Gegenstand, Inhalt) verschüttet, sie wird zur unmotivierten Künstlichkeit, zum tabuierten Formalismus.

Briefe an zwei Künstlerfreunde. Aus Dänemark am 19. Juli 1963 an Helmut und Erika Heinze, 1963 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn ich zeichne – einen Menschen, ein Objekt –, muss ich mir über Proportion, Genauigkeit, Abstraktion oder Entstellung und so weiter bewusst werden. Wenn ich ein Foto abmale, ist das bewusste Denken ausgeschaltet. Ich weiß nicht, was ich tue. Meine Arbeit liegt viel näher beim Informellen als bei irgendeiner Art von ,Realismus'. Das Foto hat eine eigene Art von Abstraktion, die gar nicht so leicht zu durchschauen ist.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Von der Oberfläche her, Ölfarbe auf Leinwand, konventionell aufgetragen, haben meine Bilder wenig mit dem Foto zu tun, sondern sind ganz Malerei (was man auch immer darunter verstehen will). Andererseits sind sie dem Foto derart gleich, dass das, was das Foto von allen anderen Bildern unterscheidet, ganz erhalten bleibt.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie arbeiten nach Fotovorlagen. Unter welchen Gesichtspunkten finden Sie Ihre Sujets?
Es ist vielleicht eine negative Auswahl insofern, als ich alles zu vermeiden suchte, was bekannte Probleme oder überhaupt Probleme, malerische, soziale, ästhetische, berührte. Ich versuchte, nichts Greifbares zu finden, deshalb gab es so viele banale Sujets, wobei ich mich wiederum bemühte zu vermeiden, dass das Banale mein Problem und mein Zeichen wurde. Es ist also eine Art Flucht.

Interview mit Rolf-Gunter Dienst 1970, 1970 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Warum sehen die meisten Ihrer Gemälde wie unscharfe Fotos aus?
Ich habe in einem unscharfen Bild noch nie etwas vermisst. Im Gegenteil, man sieht viel mehr darin als in einem scharfen Bild. Eine mit Genauigkeit gemalte Landschaft zwingt uns, eine bestimmte Anzahl deutlich unterscheidbarer Bäume zu sehen, während man in einer unscharfen Landschaft eine beliebige Anzahl von Bäumen erkennen kann. Das Bild ist offener.

Interview mit Irmeline Lebeer 1973, 1973 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Hatten die frühen Schwarzweiß-Bilder damals gegenüber den farbigen Bildern eine andere Qualität, eine andere Bedeutung für Dich? Konntest Du Dir z. B. durch Schwarzweiß eine größere Distanz schaffen, oder ging es Dir dabei um die Darstellbarkeit von Objektivität?
Im Grunde war es einfach ungewöhnlicher damals, Ölgemälde in schwarzweiß und dann lebensechter, weil alle Zeitungen, das alltägliche Bildmaterial, bis zum Fernsehen hin, schwarzweiß waren und auch die Fotoalben und das ganze Fotografieren, alles war schwarzweiß, das kann man sich heute kaum noch vorstellen. Das brachte damit eine Objektivität in die Bilder, die völlig neuartig war. Heute wird man das Fotoähnliche und Dokumentarische daran nicht mehr so sehen, da wirken die Bilder eher malerisch. Aber eine bestimmte besondere Qualität hat ein Schwarzweißfoto behalten, die FAZ hat sie ja immer noch, die Schwarzweißfotos, obwohl die Mehrheit es sicher bunt will.

Interview mit Babette Richter 2002, 2002 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie würden diese inhaltlichen Deutungen Ihres Werks aber heute mit Interesse verfolgen und sagen, die Motive kamen nicht zufällig zustande?
Es hat alles einen Grund und so auch die Auswahl der Photos, die eben nicht zufällig war, sondern der Zeit entsprach, ihrem Glanz und Elend und meinem Empfinden.

Über Pop, Ost-West und einige der Bildquellen. Uwe M. Schneede im Gespräch mit Gerhard Richter, 2010 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie schrieben an Helmut Heinze 1963, in den Illustrierten fänden sich die „Leitbilder“ der Zeit, es sei hochnäsig, sich als Künstler gegen solche populären Bilder zu stellen. Wollten Sie Bilder machen, die den Menschen gefielen?
Gefallen wollen, das hat einen schlechten Ruf, zu Unrecht, das hat ja viele Seiten: Erst einmal müssen Bilder ein Interesse wecken, damit man sie überhaupt ansieht, und dann müssen sie was zeigen, was das Interesse festhält – und natürlich müssen sie eine Ansehlichkeit haben, so wie ein Lied gut gesungen sein muss, sonst rennt man ja weg. Diese Qualität kann man doch gar nicht wichtig genug nehmen, und ich habe mich auch immer gefreut, wenn meine Sachen auch den Museumswärtern, den Laien gefallen.

Über Pop, Ost-West und einige der Bildquellen. Uwe M. Schneede im Gespräch mit Gerhard Richter, 2010 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Was versuchen Sie mit diesen realistischen Bildern zu erreichen?
Ich versuche von dem, was ich gesehen habe und mich berührt hat, ein Bild zu malen, so gut wie möglich. Das ist alles.

Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es. Ein Gespräch zwischen Gerhard Richter und Nicholas Serota, Frühjahr 2011, 2011 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

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