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Wenn ich ein Abstraktes Bild (bei den anderen ist die Problematik nicht unähnlich) male, weiß ich weder vorher, wie es aussehen soll, noch während des Malens, wohin ich will, was dafür zu tun wäre. Deshalb ist das Malen ein quasi blindes, verzweifeltes Bemühen, wie das eines mittellosen, in völlig unverständlicher Umgebung Ausgesetzten – wie das von einem, der ein bestimmtes Sortiment von Werkzeugen, Materialien und Fähigkeiten besitzt und den dringenden Wunsch hat, etwas Sinnvolles, Brauchbares zu bauen, das aber weder ein Haus noch ein Stuhl noch sonst irgend etwas Benennbares sein darf, der also draufloshaut in der vagen Hoffnung, dass sein richtiges, fachgerechtes Tun letzlich etwas Richtiges, Sinnvolles zustande kommen lässt.

Notizen 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Es gab ja andererseits Versuche, Sie auch mit einem Etikett zu versehen. 'Kapitalistischer Realismus' war so ein Stichwort, das man Ihnen aufgeklebt hat. Die Formulierung stammt sogar von Ihnen selber.
Ja, da haben wir uns sehr gewundert, das war für uns ein Witz. Wir haben ein Happening gemacht, der Konrad Lueg und ich, und haben das Wort nur für dieses Happening gebraucht, um einen attraktiven Namen zu haben, und dann ist das gleich verwendet worden. Da kann man sich nicht wehren, und das ist auch nicht schlimm.

Interview mit Wolfgang Pehnt 1984, 1984 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Könnten Sie mir etwas über Ihr Manifest des Kapitalistischen Realismus erzählen?
Das war ein Stück, das ich 1963 mit Konrad Lueg in der Möbelabteilung eines Warenhauses gemacht habe. In einigen Zeitungen war es als Ausstellungs-Eröffnung angekündigt, aber die Leute, die kamen, wussten nicht, dass es eine Art Happening sein sollte. Ich bin jedenfalls nicht ganz einverstanden damit, dass es so berühmt geworden ist. Es war einfach ein großer Spaß, und der Begriff Kapitalistischer Realismus traf den Nagel auf dem Kopf. Aber es war nichts Großartiges.

Interview mit Dorothea Dietrich 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich kam aus Dresden, und da gab es den Sozialistischen Realismus – und dann kamen der Konrad Lueg und ich mehr aus Ironie darauf, da ich ja hier im Kapitalismus lebe. Realistisch sollte es schon sein, aber eine andere Form, die kapitalistische eben. Das ist nicht so ernst zu nehmen. Es war mehr ein Slogan für dieses Happening, das wir in dem Möbelhaus gemacht haben.

Interview mit Christiane Vielhaber 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ein Student hat bei seinen Forschungen tatsächlich die Zeitungen und Zeitschriften ausfindig gemacht, aus denen diese Bilder stammen, und festgestellt, dass viele davon Illustrationen zu einer Sammlung von grausigen Geschichten sind, Mord und Selbstmord; das ist etwas ganz anderes als die Bilder selbst. Es gibt einen Kontrast zwischen der Botschaft des Textes und der, die die Illustration unter Verschluss hält.

Kommentare zu einigen Bildern 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die ersten Farbtafeln waren unsystematisch. Sie wurden unmittelbar nach den in den Fachgeschäften ausliegenden Farbmusterkarten gemalt. Sie zeigten noch eine Nähe zur Pop Art. In den folgenden Werken wurden willkürlich gewählte Farben nach dem Zufallsprinzip angeordnet. Dann wurden 180 Farbtöne nach einem bestimmten System angemischt und ihre Verteilung auf der Bildfläche wurde ausgelost, woraus sich vier Variationen von 180 Farbtönen ergaben. Da mir schließlich die Zahl ,180‘ zu willkürlich vorkam, habe ich ein System entwickelt, das auf einer Anzahl von streng definierten Farbtönen und Proportionen beruht.

Interview mit Irmeline Lebeer 1973, 1973 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

1024 Farben in 4 Permutationen
Um alle vorkommenden Farbtöne auf einem Bild darstellen zu können, entwickelte ich ein System, das – ausgehend von den drei Grundfarben plus Grau – in stets gleichmäßigen Sprüngen eine immer weitergehende Aufspaltung (Differenzierung) ermöglichte. 4 x 4 = 16 x 4 = 64 x 4 = 256 x 4 = 1024. Die Zahl ,4‘ als Multiplikator war notwendig, weil ich eine gleichbleibende Proportion von Bildgröße, Feldgröße und Felderanzahl erhalten wollte. Die Verwendung von mehr als 1024 Farbtönen (z. B. 4096 erschien mir sinnlos, da dann die Unterschiede von einer Farbstufe zu nächsten nicht mehr sichtbar wären.
Die Anordung der Farbtöne auf den Feldern erfolgte per Zufall, um eine diffuse, gleichgültige Gesamtwirkung zu erzielen, während das Detail anregend sein kann. Das starre Raster verhindert die Entstehung von Figurationen, obwohl diese mit Anstrengung sichtbar werden können. Diese Art von künstlerischem Naturalismus ist ein Aspekt, der mich fasziniert wie die Tatsache, dass, wenn ich alle möglichen Permutationen gemalt hätte, das Licht über 400 Billionen Jahre brauchte, um vom ersten bis zum letzten Bild zu kommen. Ich wollte vier große bunte Bilder malen.

Katalogtext für Gruppenausstellung im ,Palais des Beaux Arts‘, Brüssel 1974, 1974 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn Du also '66 angefangen hast, nicht-figurative Bilder, Farbtafeln zu malen, hing das auch mit einer sehr direkten Konfrontation mit der aufkommenden Minimalkunst zusammen? War das wiederum eine Konfliktsituation mit der amerikanischen Dominanz oder war das auch durch eigene Entwicklung, die hier im engen lokalen Bereich in Düsseldorf begründet war? Durch die Begegnung mit Palermo vielleicht?
Das hing sicher auch mit Palermo und seinen Interessen und später auch mit der Minimalkunst zusammen; aber als ich 1966 die Farbtafeln gemalt habe, hatte das doch mehr mit Pop Art zu tun. Es waren ja abgemalte Farbmusterkarten, und der schöne Effekt dieser Farbmuster war, dass sie so gegen die Bemühungen der Neo-Konstruktivisten, Albers etc. gerichtet waren.

Interview mit Benjamin H. D. Buchloh 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Idee der Farbfelder entstand schon 1966 und die Beschäftigung damit endete 1974 mit einem Bild, das aus 4096 Farbfeldern [WVZ: 359] bestand.
Anfangs reizte mich die für die Pop Art typische Ästhetik der handelsüblichen Farbmusterkarten, mir gefiel die unkünstlerische geschmackvolle und profane Darstellung der Farbtöne besser als die Gemälde von Albers, Bill, Calderara, Lohse etc.

Notizen zu einer Pressekonferenz, 28. Juli 2006, 2006 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Etwas später interessierte mich mehr die neutrale und systematische Erfassung aller Farben, die wir sehen können, und damit verbunden deren vom Zufall bestimmte Platzierung auf der Bildfläche. Mit dieser Methode vermied ich die Kreation von Farbigkeit und Gestalt aller Konfigurationen im Bild und hatte nur noch das Bildformat, die Proportionen des Rasters und die Stofflichkeit des Materials zu bestimmen. Die so entstandenen Bilder haben eine Tendenz zur absoluten Vollkommenheit und imaginieren die quasi unendliche Anzahl möglicher Bilder.

Notizen zu einer Pressekonferenz, 28. Juli 2006, 2006 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Zur Systematik der Farbskala:
Ausgang sind die 4 reinen Farben Rot, Gelb, Grün und Blau; deren Zwischentöne und Helligkeitsstufen ergeben die Farbskalen mit 16, 64, 256 und 1.024 Farbtönen. Mehr Farbtöne wären sinnlos, weil sie sich nicht mehr deutlich voneinander unterscheiden lassen.

Notizen zu einer Pressekonferenz, 28. Juli 2006, 2006 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie haben mehrfach in den verschiedenen Jahrzehnten graue Bilder gemalt. Können Sie dazu etwas sagen?
Kompliziertes Thema. Sicher kommt das Grau auch von den Fotobildern und es hat natürlich auch damit zu zun, dass ich das Grau für eine wichtige Farbe halte, die ideale Farbe für Meinungslosigkeit, Aussageverweigerung, Schweigen, Hoffnungslosigkeit. Also für Zustände und Aussichten, die einen betreffen und für die man ein Bild finden möchte.

Interview mit Jan Thorn-Prikker 2004, 2004 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Eigentlich habe ich gerade die nicht-malbaren Bilder gemalt. Die Toten. Ich wollte ja anfangs mehr das ganze Problem, diese Wirklichkeit von damals, das Lebendige malen – also ich hatte eher an etwas Großes, Umfassendes bei dem Thema gedacht. Dann hat sich das aber ganz anders entwickelt, eben zum Tod hin. Und das ist eigentlich gar nicht so unmalbar, im Gegenteil, Tod und Leid waren ja immer ein Thema der Kunst. Es ist ja sowieso das Thema, das haben wir uns erst heute abgewöhnt, mit unserer netten Lebensweise.

Gespräch mit Jan Thorn-Prikker über den Zyklus 18. Oktober 1977 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Das waren Pressefotos.
Ja, die waren aus dem Stern, Spiegel und aus Büchern. Wissen Sie, ich hatte eigentlich vor, es viel breiter zu machen, und wunderte mich dann selbst, dass ich es reduziert habe auf die Toten, auf den letzten Moment. Ich wollte das Thema eigentlich viel breiter anlegen. Mehr aus dem Leben, aus der aktiven Zeit dieser Leute malen, aber das hat gar nicht geklappt, und das versuchte ich dann gar nicht zu malen.

Interview mit Stefan Weirich über den Zyklus 18. Oktober 1977, 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie schätzen Sie das spezielle Interesse der Amerikaner an der deutschen RAF-Thematik ein und generell die Wirksamkeit politischer Kunst im konservativen Amerika?
Vielleicht sehen die Amerikaner auf Grund ihrer Distanz zur RAF eher das Allgemeine des Themas, das fast jedes moderne oder auch unmoderne Land betrifft: die generelle Gefahr von Ideologiegläubigkeit, von Fanatismus und Wahnsinn. Das ist doch für jedes Land aktuell, also auch für die USA, die Sie hier so leichthin als konservativ bezeichnen. – Ich kann aber auch noch einen direkten Bezug sehen zwischen Amerika und RAF, und zwar nicht nur den Vietnamkrieg, gegen den 1968 Baader und Ensslin protestieren, indem sie mehrere Brandsätze in zwei Frankfurter Kaufhäuser legten; einen Bezug sehe ich auch in der amerikanischen Prägung der Haltung und des Lebensgefühls der sogenannten 68er. Selbst deren Antiamerikanismus war ja nicht nur Reaktion auf den amerikanischen Einfluss, sondern war zum Großteil Import aus Amerika.

Interview mit Hubertus Butin 1995, 1995 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Illusion – besser Anschein, Schein ist mein Lebensthema (könnte Thema für Anfängerbegrüßungsrede an der Akademie sein). Alles, was ist, scheint und ist für uns sichtbar, weil wir den Schein, den es reflektiert, wahrnehmen, nichts anderes ist sichtbar.

Notizen 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Als Du damals über Deine Verwendung von Fotos als Quelle für Gemälde gesprochen hast, über die Auswahl, die Du dadurch hattest, und die Verschiedenheit der gewählten Bilder, hattest Du da die scheinbare Zufälligkeit von Cages Vorgehensweise als Modell vor Augen?
Cage hatte größere Disziplin. Er hat den Zufall zur Methode gemacht und richtig konstruktiv angewendet, das habe ich nie gemacht. Hier ist alles etwas chaotischer.

Chaotischer im Sinne von zufälliger oder im Sinne von intuitiver?
Vielleicht intuitiver. Ich glaube, er wusste mehr, was er tat. Vielleicht liege ich damit völlig falsch, aber das war mein Eindruck.

MoMA-Interview mit Robert Storr 2002, 2002 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

In den Bomberbildern sehe ich eine kritische Stellungnahme zum Thema Krieg…
… ist es aber sicher nicht. Solche Bilder können gar nichts gegen Krieg ausrichten. Sie zeigen ja auch nur einen sehr kleinen Aspekt vom Thema Krieg – vielleicht nur meine kindlichen Gefühle von Angst und Faszination durch Krieg und solche Waffen.

Interview mit Sabine Schütz 1990, 1990 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Waren Sie von Duchamp beeinflusst, als Sie die Gemälde Frau, eine Treppe herabsteigend (1965) [WVZ: 92] und Ema (1966) [WVZ: 134] malten und als Sie Vier Glasscheiben (1967) [WVZ: 160] geschaffen haben?
Ich kannte Duchamp, und es gab sicherlich eine Beeinflussung. Es war vielleicht auch eine unbewusste Antihaltung. Denn sein Bild Akt, eine Treppe herabsteigend hat mich eher ein bisschen geärgert. Ich schätzte es sehr, aber ich konnte nicht akzeptieren, dass damit eine bestimmte Art zu malen erledigt war. Also habe ich das Gegenteil gemacht und einen ,konventionellen Akt‘ gemalt. Das lief aber, wie gesagt, sehr unbewusst, nicht strategisch. Und so war es mit den Vier Glasscheiben auch. Ich denke, irgend etwas hat mir bei Duchamp nicht gepasst, diese Geheimnistuerei, und deswegen habe ich diese einfachen Gläser gemalt und so ein Problem von Glasscheiben ganz anders gezeigt.

Interview mit Jonas Storsve 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie kam es zu dem Wechsel zwischen figurativer und abstrakter Malerei?
Dafür gab es keinen speziellen Auslöser. Ich habe zuerst „Figuren‟ gemalt, bis ich eines Tages plötzlich angefangen habe, abstrakt zu malen. Dann habe ich beides gemacht. Es geschah aber nicht mit Vorsatz, sondern einfach nur aus Lust. Am liebsten würde ich noch mehr figurativ malen, aber gegenständliche Bilder sind schwieriger. Um diese Schwierigkeit zu überwinden, mache ich also eine Pause und male abstrakt. Das gefällt mir übrigens sehr, denn so gelingen mir schöne Bilder.

Gespräch mit Henri-François Debailleux 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Worin liegt Ihres Erachtens nach die Schwierigkeit der figurativen Malerei?
Wenn ich abstrakt male, dann gelingt mir das mit einer quasi professionellen Geste. Bei den figurativen Bildern ist das unmöglich. Der Zufall wird hier nicht zugelassen. Es bedarf zudem bestimmter Bedingungen und eines bestimmten Blickwinkels, die man erst einmal finden muss, weil die Fotografie beide immer schon negiert hat. Außerdem versuche ich, wenn ich figurativ male, das Motiv so gut wie möglich auf die Leinwand zu übertragen. Das ist nicht einfach, aber notwendig, weil die Dinge, die uns umgeben, meist wahr, richtig oder sogar schön sind. Gemalt verlieren diese Dinge jedoch ihre Wahrheit. Deshalb muss man sie soweit schön „treiben‟, bis sie ansehnlich werden und man die Lust verspürt, sie zu betrachten. Dafür müssen sie so richtig sein wie ein Gesang.

Gespräch mit Henri-François Debailleux 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Warum sehen die meisten Ihrer Gemälde wie unscharfe Fotos aus?
Ich habe in einem unscharfen Bild noch nie etwas vermisst. Im Gegenteil, man sieht viel mehr darin als in einem scharfen Bild. Eine mit Genauigkeit gemalte Landschaft zwingt uns, eine bestimmte Anzahl deutlich unterscheidbarer Bäume zu sehen, während man in einer unscharfen Landschaft eine beliebige Anzahl von Bäumen erkennen kann. Das Bild ist offener.

Interview mit Irmeline Lebeer 1973, 1973 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich habe immer Fotos gemacht und einige auch in den sechziger Jahren als Vorlagen für Bilder genommen; in den späten Sechzigern kamen dann weit häufiger meine eigenen zum Einsatz. Meistens fotografierte ich Dinge, nur ganz selten Leute. Die Portraits, die ich damals gemalt habe, basierten auf Passfotos, die ich mir geben ließ und dann in Gemälde verwandelte. Das erste Bild, das ich von einer Person malte, war Ema (Akt auf einer Treppe) [WVZ: 134]. Die Bilder, mit denen ich arbeitete, kamen in der Regel aus Illustrierten, und das ist auch die einfache Erklärung dafür, warum die meisten Leinwände schwarzweiß waren.

Kommentare zu einigen Bildern 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Fotografie hat fast keine Realität, ist fast nur Bild. Und die Malerei hat immer Realität, die Farbe kann man anfassen, sie hat Präsenz; sie ergibt aber immer ein Bild – egal, wie gut oder schlecht. Theorie, die nichts bringt. Ich habe kleine Fotos gemacht, die ich mit Farbe beschmierte. Da ist etwas von dieser Problematik zusammengekommen, und das ist ganz gut, besser als das, was ich darüber sagen konnte.

Interview mit Jonas Storsve 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Haben Sie jemals Auftragsportraits gemalt?
Ja, in den sechziger Jahren. Zum Beispiel die Portraits von Wachenfeld [WVZ: 104-3], Dwinger [WVZ: 103], Wasmuth [WVZ: 104-2], Schniewind [WVZ: 42, 42/1-2] und Schmela [WVZ: 37/1-3] sind als Auftragsarbeiten entstanden. Irgendwie war diese Form typisch für die Zeit der sechziger Jahre. Und das kam mir sehr gelegen, da ich dadurch meinen persönlichen Kunstgeschmack umgehen konnte und die Bilder eher durch Zufall entstanden sind. Allmählich habe ich dann allerdings die Lust daran verloren. Heute kommt keiner mehr mit einem solchen Wunsch auf mich zu, weil jeder weiß: Richter malt keine Auftragsportraits mehr.

Interview mit Susanne Ehrenfried 1995, 1995 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie siehst Du Deine Frauenbilder, die Du gemalt hast?
Tja, das fällt mir jetzt wieder auf, in der New Yorker Ausstellung, als ich die ganzen Frauenbilder zusammen gesehen habe, und mich wunderte über so widersprüchliche Bilder. Da gibt es eine Erhöhung der Frau, das fängt an mit dem Ema-Akt [WVZ: 134], der ja da wirklich wie ein Engel die Treppe herunter kommt, vom Himmel herabsteigt. Dann das Bild der Tochter [WVZ: 663-5], das auch mit Erhöhung zu tun hat, denn es ist so getragen von der Sehnsucht nach der Kultur, der Schönheit der Malerei, die wir aber nicht mehr haben, deswegen die Abwendung. Dann die Lesende [WVZ: 804], wieder eine Überhöhung, weil sie so den Vermeer, den Malergott ehrt und so eine ähnliche Schönheit versucht. Das sind so idealisierte Wunschbilder, wer weiß. Und dann gibt es die andere Seite, das sind eher die Opfer. Die schwarzweiß gemalten Frauenbilder haben ja mehr mit den alltäglichen Schicksalen zu tun, die nur dann in die Zeitung kommen, wenn ihnen etwas zustößt, wenn sie Opfer sind, wie die acht Lernschwestern [WVZ: 130] und andere. Die Isa-Bilder [WVZ: 790-4, 790-5] sind nach eigenen Fotos gemalt. Und meine Mutter direkt habe ich nie gemalt, es gibt nur ein Familienbild [WVZ: 30], wo sie mit drauf ist.

Interview mit Babette Richter 2002, 2002 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Heute weiß man, dass es sich bei den Menschen auf Ihren Portraits oft um Familienmitglieder handelt und welche Geschichten sich da verbergen – das Bild Ihrer Tante Marianne etwa [WVZ: 87], die im Februar 1945 umkam, oder Ihr Onkel Rudi in Wehrmachtsuniform [WVZ: 85]. Warum sind autobiografische Bezüge in Ihrem Werk so lange ignoriert worden?
Ich hatte gar kein Interesse daran, dass darüber gesprochen wird. Ich wollte doch, dass man die Bilder sieht und nicht den Maler und seine Verwandten, da wäre ich doch irgendwie abgestempelt, vorschnell erklärt gewesen. Tatsächlich hat mich das Faktische – Namen oder Daten – auch gar nicht so interessiert. Das alles ist wie eine andere Sprache, die die Sprache des Bildes eher stört oder sogar verhindert. Man kann das mit den Träumen vergleichen: Sie haben eine ganz spezifische, eigenwillige Bildsprache, auf die man sich einlassen oder die man vorschnell und falsch übersetzen kann. Natürlich kann man Träume auch ignorieren, nur wäre das schade, sie sind ja nützlich.

SPIEGEL-Interview mit Susanne Beyer und Ulrike Knöfel 2005, 2005 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Auf welcher Grundlage wählen Sie Ihr Format?
Ich entscheide mich, je nachdem wie ich mich fühle, also willkürlich. Wenn ich längere Zeit nichts gemacht habe, fange ich immer klein an, auf Papier.

Interview mit Anna Tilroe 1987, 1987 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Zufall als Thema und Methode
Methode, um etwas Objektives entstehen zu lassen, Thema, um ein Gleichnis (Bild) zu schaffen für unsere Überlebensstrategie:
1) Methode des Lebendigen, das die zugefallenen Bedingungen, Eigenschaften und Ereignisse nicht nur verarbeitet, sondern nur als ,Verarbeitung‘ existiert, unstatisch, nichts anderes und nur auf diese Weise.
2) Ideologisch: Verneinung des Plans, der Meinung, der Weltanschauung, die die gesellschaftlichen Entwürfe schafft, und in der Folge die ,großen Bilder‘. Also das, was ich oft als mein Manko ansah, dass ich nicht in der Lage war, ein ,Bild zu schaffen‘, ist nicht Unfähigkeit, sondern instinktives Bemühen um eine modernere Wahrheit, die wir bereits leben (Leben ist nicht das Gesagte, sondern das Sagen, nicht das Bild, sondern das Bilden).

Notizen 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ihre Gemälde weisen immer eine perfekte Technik auf…
Im Gegensatz zu der Zeit, als man die Technik lernen und so früh wie möglich üben musste, beherrscht sie heute keiner mehr. Malen ist so einfach geworden – jeder kann es tun! –, dass es oft zu einem gewissen Unsinn führt. Vor einem solchen Hintergrund fällt es natürlich auf, wenn jemand die Technik beherrscht. Für mich war das immer selbstverständlich und nie ein Problem. Ich stehe ja noch ganz in der Tradition der Malerei. Viel wichtiger ist für mich der Versuch, ja der Wunsch, zu zeigen, was ich will und dies mit so viel Genauigkeit wie möglich. In diesem Sinne brauche ich die Technik. Für mich ist die Perfektion so wichtig wie das Bild selbst.

Gespräch mit Henri-François Debailleux 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn ich beim Malen ein Motiv verzerre oder zerstöre, ist das keine geplante und bedachte Handlung, sondern es ist ganz anders begründet: Ich sehe, dass das Motiv, wie ich es gemalt habe, irgendwie unansehnlich wirkt, unerträglich aussieht. Dann versuche ich eben, meinem Gefühl zu entsprechen, das ansehnlich zu machen. Und das heißt, derart lange zu malen, zu ändern oder zu zerstören, bis es mir besser gefällt. Und warum das so ist, darüber gebe ich mir keine Rechenschaft.

Interview mit Astrid Kasper 2000, 2000 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

In der Dresdner Zeit entstanden offenbar, wie das Selbstbildnis zeigt, die ersten Aquarelle.
Das war vor der Akademie, als ich siebzehn war. Damals habe ich viel aquarelliert, aber dann an der Akademie, wurden Zeichnen und Ölmalerei unterrichtet, das war das Selbstverständliche, nicht das Aquarellieren. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass irgend jemand aquarelliert hätte.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Tatsächlich bin ich nur durch den Galeristen Fred Jahn dazu gekommen, die Bedenken gegenüber meinen Papierarbeiten zu überwinden und sie auszustellen. Natürlich kam hinzu, dass ich die Aquarelle nach zehn Jahren in einem anderen Licht sehen konnte, und im Zusammenhang mit den seither gemalten Bildern waren sie mir zumindest verständlicher geworden.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Unter den Aquarellen gibt es kaum gegenständliche, die nach Fotografien oder anderen Vorlagen gemalt sind.
Weil es mit den abstrakten spannender ist und schneller geht; es hat einen ähnlichen Effekt wie meine frühere Begeisterung für das Entwickeln von Fotos in der Dunkelkammer. Da entsteht etwas wie von allein, was man nur beobachten muss, um im richtigen Moment einzugreifen, in dem Fall, zu stoppen. Hier geht es also mehr um das Entscheiden als um das Machen können.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

In Winterthur wurden gerade zum ersten Mal ausführlich Ihre Zeichnungen gezeigt, dazu ist ein Werkkatalog erschienen. Ich hatte Richter-Zeichnungen vorher selten gesehen.
Ich auch. Weil ich die Zeichnungen im Gegensatz zu den Bildern und Grafiken nicht katalogisiert, nicht nachgehalten, nicht ausgestellt habe. Ab und zu wurden welche verkauft. Ich verstand mich aber nicht als Zeichner. Erst durch die Ausstellung ist mir das wichtiger geworden, und ich habe gesehen, dass doch ganz interessant ist, was ich gemacht habe.

Interview mit Stefan Koldehoff 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Diesmal ist der ganze Boden mit zerschnittenen Illustrierten bedeckt, neue Macke (8 Tage) von mir: Bilder aus Zeitschriften, die Druckfarbe mit Lösemittel aufweichen u. zweckentsprechend verwischen. Macht unheimlich Freude. Illustrierte haben mir es ja schon immer angetan, sicher der dokumentarischen Aktualität wegen. Hab auch schon ein paar Versuche gemacht, so was in groß zu malen. Mal sehen wie es weiter geht. Treibe da was, das in etwa einer neuen Richtung ähnelt: Pop-Art (von populär), kam wohl in Amerika auf u. erhitzt die Gemüter.

Briefe an zwei Künstlerfreunde. Aus Düsseldorf am 10. März 1963 an Helmut und Erika Heinze, 1963 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14